Zitat Zitat von Kleiner Prinz Beitrag anzeigen
mehrmals im Monat sehe ich in einer kleinen Parkanlage ca. 4- bis 10-jährige Kinder, die einfach Spaß daran haben, einen kleinen Trupp von Tauben aufzuscheuchen und einzelne von ihnen zu verfolgen, bis sie außer Reichweite sind. Die Tauben kommen dabei nicht um, nehmen wohl auch keinen Schaden, aber der kindliche Beweggrund ist völlig offensichtlich: Ich bin stärker und kann bewirken, dass das schwächere Lebewesen weicht.
Ein drastisches Beispiel: Auf unserem Schulhof (Grundschule) bestand in der Pause lange Zeit ein "Zeitvertreib" darin, Insekten zu fangen und ihnen - noch lebend - die Beine auszureißen. Dann wurden sie weggeworfen. Die Kinder entstammten übrigens überwiegend der Mittelschicht, das Ganze ist lange Zeit her. Jeder der Mitschüler wusste, dass das nicht ok ist: Wenn der Lehrer kam, hörte man auf. In der nächsten Pause ging das Ganze von vorne los.
Ich sehe in diesen Beispielen keinerlei bewusste(!) Gewaltausübung.
Es ist eine Grundlage des Lebens, mit seiner Umwelt in Interaktion zu treten und sie zu manipulieren. Die Kinder könnten natürlich statt mit Tauben auch mit Bällen spielen, aber Geschicklichkeitsspiele werden umso herausfordernder und spannender, wenn man die Reaktion des Spielzeugs nicht exakt vorhersehen kann. Da Kinder selbst Spaß am "fangen spielen" haben (auch als Gejagter!) und die Tauben keine erkennbare Leidreaktion zeigen, regt sich eben auch kein schlechtes Gewissen.

Mit den Insekten ist es das gleiche. Mitleid kann nur dann empfunden werden, wenn man sich in den Leidenden hineinversetzen kann. Ohne Schmerzensschreie und Tränen können Kinder das schwer verstehen.
Meine Nachbarkinder waren übrigens auch begeisterte Insektenbeinausreisser. Ich wollte es selber nicht machen, aber da sie mir versicherten, dass es die Insekten überhaupt nicht stört, habe ich ihnen ohne Mitleid zugesehen.

Ich erinnere mich auch, dass ich als Kind wahnsinnig gern den "Struwwelpeter" gelesen habe. Meine Mutter hat mir vergeblich immer wieder erklärt, dass das ganz schlimme Geschichten sind, ich konnte absolut nicht verstehen, was an verbrennenden Kindern usw. schlimm sein soll. Aber wenn ein anderes Kind am Schulhof geschubst wurde und geweint hat, bin ich bitterböse geworden. DAS konnte ich verstehen und das war eindeutig falsch.