Wir sind vom Doc zurück. Ohne Tilly. Wir mussten sie erlösen lassen. Ich weine seitdem nonstop. Und wenn ich trauere, verstumme ich. Alles, was ich sagen könnte, bleibt mir in der Kehle stecken. Ich war dabei, als er ihr die Narkosespritze und dann ihre letzte Spritze gesetzt hat. Wir haben sie mitgenommen. Haben sie gerade in einen kleinen selbstgemachten blauen Karton gebettet, ein paar Federn von ihren Wellifreunden und ihrer großen Liebe Timmi dazu, sie wunderschön gebettet und eine kleine Hirse dazugelegt. Morgen wird sie im Garten unserer Freundin beerdigt. Sie fehlt - die kleine türkise Schönheit Tilly, der es jetzt zum Schluss die letzten Tage so schlecht ging, fehlt so sehr. Der Käfig ist so leer ohne sie. Sie war so dominant mit ihrer Größe, mir ihrem Wesen, mit ihrer leuchtend blauen Farbe. Es war furchtbar, das kleine erschlaffte Körperchen nach der Narkosespritze in der Hand zu halten, ihre Augen noch halb offen. Sie lag die ganze Zeit im Auto eingepackt bei mir in der Hand, fühlte sich noch so lebendig an, so warm.

Die Vorgeschichte steht hier: https://www.welli.net/forum/showthread.php?t=8751

Ich hatte noch so viel Hoffnung und gar nicht darüber nachgedacht und es auch nicht wirklich in Erwägung gezogen, dass sie sterben könnte. Obwohl sie im Transportkäfig auf dem Boden im Sand lag, ihre treue Partnerseele Timmi immer an sie gekuschelt - verdammt, so ein wahnsinnig schönes Bild hatte ich noch nie gesehen von den beiden. Er ist ihr überhaupt nicht mehr von der Seite gewichen, lag nur noch, egal in welcher Haltung, an sie geschmiegt, die ganze Zeit. Hat sie gewärmt und beschützt.

Als der Doc ihr das Blut abnahm, protestierte sie noch - unsere Chance, damit wir wissen, was sie hat, Hoffnung auf irgendwelche Indizien - es kam zu wenig, er kam mit der Kanüle kaum rein, weil sie nur noch Fett im Nacken hatte. Danach wütete sie, schüttelte sich ausgiebig, und Uwe meinte: Mensch, hat die noch Power. Und ich schöpfte Hoffnung, sie sprang rauf und runter. Kurze Zeit später lag sie wieder auf dem Boden, Äuglein zu, ihre Liebe neben sich.

Dann die traurige Nachricht nach der Blutabnahme: Es gab nichts mehr, was in ihrem Körper noch einigermaßen funktionierte. Schwerste Stoffwechselstörung, Nieren nicht mehr i.O., Diabetis, hochgradig Zucker, wie er es schon lange nicht mehr bei einem Vogel gesehen hatte, wahrscheinl. kleine Tumore, Leberwerte absolut mau, dann die Hyperostose dazu. Er nannte noch andere Blutwerte - ich konnte kaum zuhören - die alle besch... waren. Ich habe auch keine Ahnung, wie die Hyperostose und diese Dinge miteinander zusammenhängen, wahrscheinlich hat er es erklärt. Wenn es ein oder zwei Werte gewesen wären, wo man hätte ansetzen können. Er vermutete einen Tumor in der Hirnandrangdrüse, die aber bei einem lebenden Vogel nicht zu diagnostizieren sei.

Ich fragte noch zaghaft, langsam ahnend - irgendwie wähnte ich mich wie im Traum -, ob wir nicht irgendwas und ihre letzte Zeit noch erträglich machen könnten, ohne Schmerzen. Er meinte, sie habe wohl keine Schmerzen, aber sie quält sich in zunehmendem Maße mit Gleichgewichtsstörungen, Schlechtsein, Schwindelgefühlen; es sei nur eine Frage der Zeit, heute nacht, morgen, in einer Woche... und dann würde sie wahrscheinlich krampfen. Das wäre noch viel schlimmer. Die Blutwerte seien zu schlecht - und gerade dieser genannte Tumor zeige auch, dass die Patienten viel zu dick wären. Was Tilly ja war, ohne nennenswert viel zu fressen.

Ach Tilly, ich hatte doch so gehofft, dass die Hormontherapie bei Dir anschlägt, aber Dir ging es jeweils nur 1 oder 2 Tage leidlich besser.

Irgendein Teufel in mir will das gar nicht wahrhaben und denkt immer noch, vielleicht hätte sie es ja geschafft, wenn wir nur früher, und hätte ich doch mehr auf ihre Ernährung geachtet, und warum konnten wir denn keine Antibiotikum mehr geben. Der Doc meinte, das bringe nichts mehr, wahrscheinlich wäre sie jetzt auch noch voll mit Bakterien und Hefen. Und ihr das jetzt noch antun?

Sie hatte als Abgabevogel nur 10 Monate bei uns, immer treu begleitet von ihrem Timmi-Hähnchen. Die beiden haben sich in der Vermittlung kennen- und liebengelernt. Keine/r konnte ohne den anderen sein. Er ist ein Winzling gegen sie und hat gerade im Auto fürchterlich nach ihr gerufen, ich den Transportkäfig auf dem Schoß und Tilly eingepackt in meiner Hand.

Tilly war auch gar nicht unser Vogel, überhaupt nicht zahm, und sehr ängstlich. Sie war ein Vogel in unserem Schwarm, die es herzlich wenig interessierte, ob wir da waren. Hauptsache, ihr Timmi war da. Hauptsache, sie sah und hörte die anderen. Hauptsache, ihre Lieblingsäste waren nicht besetzt. Die sie die letzten Tage nur noch mit großen Schwierigkeiten anfliegen konnte. Aber sie flog noch, sie rief die anderen noch - und ich bin mir trotz allem so unsicher, ob wir das Richtige getan haben. Sie kam immer noch aus dem Käfig, wollte bei den anderen sein. Die sie auch betüttelten, ihr Platz machten, wenn sie kam. Timmi fütterte und kraulte sie bis zuletzt.l Ach Scheiße. Es tat mir in der Seele weg, dass wir sie die letzten Tage so oft greifen mussten, so oft mit ihr zum Doc mussten, gerade weil sie ja nicht uns gehörte. Es kam viel zu schnell gerade.

Ich hoffe so sehr. dass sie ein gutes Jahr bei uns hatte, freue mich, dass sie eine solche Liebe erleben und genießen durfte.Sie hat mich immer beobachtet, mehr nicht, ihr Köpfchen ging immer mit, und ich freute mich schon insgeheim auf die Zeit, wo sie vielleicht doch noch ein wenig zutraulicher würde - irgendwann vielleicht in den nächsten Jahren. Noch gestern kam sie für ein bisschen Knaulgras an. Und ich hab sie beobachtet, leise mit ihr geredet, gerade die letzten Tage, als ich noch hoffte, dass dies alles nur die Auswirkungen der Hormontherapie seien.

Ach, ich bin auch sauer - falls ich noch einmal eine solche Therapie mit einem Vogel machen lassen muss, lasse ich ihn vorher auf seine Stabilität prüfen. Und überlege genau und lasse mich beraten, wie ich den Vogel in dieser furchtbar anstrengenden Zeit nach Kräften und am besten unterstützten kann. Denn die hat ihr jetzt letztlich den Rest gegeben bzw. ihr Immunsystem wohl völlig zusammenbrechen lassen.

Ich bin so furchtbar traurig. Es tut so weh. Ich hätte ihr so gern noch eine lange Zeit in ihrem kleinen Schwarm gegönnt. Sie wollte doch leben. Das habe ich doch gespürt.

Ein Traum vor ein paar Tagen begleitet mich: Fast diese Situation habe ich geträumt. Es war nur ein anderer Vogel, aber auch blau. Er bekam die Einschlafspritze, wurde aber zögerlich wieder wach und gesund. Er sollte weiterleben. Uwe sagte im Traum zu mir: Der hat zwei Leben. Und diesen Traum erinnerte ich, als Tilly sich so schüttelte und noch zuckte, weil es längere Zeit (normal bei Vögeln mit Stoffwechselstörungen) dauerte, bis die Spritze wirkte. War erst ein absoluter Horror für mich dies zu sehen, später beruhigend - Tilly fliegt jetzt auch ihr zweites Leben!

Liebe dicke Tilly, so habe ich Dich hier immer genannt - ich habe das nicht böse, eher zärtlich gemeint, Du warst es nun mal - Du bleibst in unserem Herzen. Du hattest eine Schönheit, die ich erst auf den zweiten Blick erkannte.

Ich werde Dich nie vergessen, wie sehr Du unseren kleinen Schwarm beherrscht und aufgemischt hast, wie du immer fröhlich und hoheitsvoll über allem in Deinen dicken Kordeln throntest, wie Du die anderen herbeizitiertest, wenn sie nicht schnell genug kamen, wie Du trotz Deiner Behinderung langsam auf den höchsten Punkt des Zimmers flogst, wenn die anderen da saßen und Du es nicht mehr ertragen konntest, wie Du Dich über Kork und Äpfel hergemacht hattest und nie, auch wirklich nie, nur ein Stück von letzteren aßest, wie friedlich Du aussahst und wie leicht Du Dich anfühltest, als Du in meinen Händen einschliefst und wir Dich in Deine letzte Ruhestätte gebettet haben.

Deinen Körper begraben wir morgen - Deine kleine Seele fliegt schon! Flieg, Tilly, flieg!